ATOPIA
1.-3. Dezember 2017
Labor für Kunst und Forschung
Universität zu Köln
Ein Ausstellungsprojekt des Seminars “Modell Sublima – kuratorische Praxis am Beispiel der SUBLIMA17” im Labor für Kunst und Forschung.
Teilnehmerinnen: Marie Bühler, Vivienne Hampf, Carolin Jakob, Claudia Mais, Carolina Tutt, Jeanne Leonie van Eeden und Hazal Zimmermann. Seminarleitung: Nada Schroer.
Anfang der 70er-Jahre proklamierte der damalige Nasa-Chef James C. Fletcher: „Wir Erdlinge sollten das Sonnensystem als unsere Domäne ansehen. Wir sollten hinausgehen und unseren Claim abstecken – denn wir sind die einzigen, die es hier gibt.“ Heute, in Zeiten von Ressourcenknappheit, Klimawandel und drohenden nuklearen Konflikten, ist der Traum von der Emigration in den Weltraum und der Kolonialisierung fremder Planeten aktueller denn je. Ein privatwirtschaftliches Unterfangen, das vor allem von US-amerikanischen High-Tech-Milliardären im Silicon Valley vorangetrieben wird, nicht zuletzt – so die Behauptung – um das Überleben der Menschheit gegen die hausgemachte Katastrophe, den planetarischen Kollaps, zu sichern. Was passiert, wenn der Heimatplanet ausgedient hat und sich die Menschheit gezwungen sieht, zu migrieren – sich diese Fluchtmöglichkeit aber lediglich einer ausgewählten Elite bietet? Wer kann es sich im exklusiven Rettungsszenario von SpaceX und Blue Origin leisten, als Mensch zu gelten? Zur Konstruktion des Begriffs der ‘Menschlichkeit’ schreibt die Philosophin Rosi Braidotti: „Nicht alle sind wir Menschen – oder nicht im gleichen Maße menschlich, nicht, wenn ,Mensch’ die dominante Vorstellung von Subjekt meint: weiß, männlich, heterosexuell, urbanisiert, körperlich gesund, eine Normsprache sprechend (…)“. Davon ausgehend definiere sich das 'Andere' immer durch seine Abweichung von der Norm, nämlich als das, was in Differenz dazu als fremd, furchteinflößend und mitunter stark faszinierend erscheint.
Vor diesem Hintergrund verlegt die Ausstellung ATOPIA die Semesterthemen "home/migration" und "Grand Tour 2017" ins Weltall und befragt Konzepte von Heimat und Fremdsein, Reise und Migration in Bezug auf die neokolonialen Visionen der Weltraumeroberung. Der Titel verweist in diesem Zusammenhang einerseits auf die Ortlosigkeit und Verlorenheit angesichts der Weiten des Weltraums, der sich als Nicht-Ort und endlose Transitzone darstellt. Andererseits auf den Ausschluss derer, die es sich nicht leisten können, einen Ort zu besetzen (im All wie auf Erden). Die Vorstellung, sich mit einer privilegierten Elite auf eine interplanetarische Reise zu begeben und irgendwo einen neuen Planeten zu erobern, ist ein altbekanntes Science Fiction-Narrativ. Ebenso bekannt ist die Erzählung von der Alien-Invasion, welche die Angst vor dem Eindringen des Fremden widerspiegelt. Welche Auskunft geben Geschichten und Bildsprache der Science Fiction, Raumfahrt und Popkultur uber die Repräsentationsmechanismen von ‚Heimat‘ und ‚Fremde‘, ‚menschlich‘ und ‚unmenschlich‘? Und was können sie über das Verhältnis der vermeintlichen Oppositionen des ‚Eigenen‘ und des ‚Anderen‘ aussagen?
ATOPIA präsentiert drei künstlerische Positionen, die Begriffe, wie Heimat, Identität und Migration auf unterschiedliche Weise verhandeln. In der Tradition des Ready Mades sowie mit den Mitteln der performativen Aktivierung befragt Mona Dasbach mit "Mir brauched ko Kunschd, mir brauched Krombiere", wie Lebensweise, Rollenverständnisse und kulturelle Identität miteinander verbunden sind und welche Verschiebungen sich über die Generationen hinweg ergeben. Mit der Performance "Is there Life on Mars?", die auf einem fiktiven Planeten angesiedelt ist, thematisieren Hanna Beuel, Miriam von Kurzleben und Bernhard Schobel Prozesse der Konstruktion kollektiver Identität und Entfremdung sowie das Verhältnis von Gemeinschaft und Individuum. Spuren der Performance werden als Objekt im Ausstellungsraum auf vergangene Interventionen verweisen. Die Objektkonstellation "wuchs 1.2" von Thomas Neumann steht schließlich für die Bewegung des Ausbruchs und der Migration hin zu neuen Lebensräumen.
Zudem zeigt die Ausstellung zwei filmische Materialsammlungen, die unterschiedliche Fundstücke aus Film, Fernsehen und Internet zusammenbringen: Die eine untersucht Repräsentationen der Motive der Space Odyssey, der Migration ins All und der Kolonisation fremder Planeten, die auch eine nostalgische Verschiebung des Blicks auf die Erde als 'Heimat der Menschheit' zur Folge hat. Der Auswahl wird ein zweites Essay gegenübergestellt, welches die Darstellungen des 'Fremden' im Motiv des Aliens sowie die Faszination für alles Außerirdische untersucht und darüber hinaus Bilder befragt, die der Mensch angesichts der Weltraumexpansion von sich selbst zeichnet.